Zwtl.: Drei Organisationen, eine Lektion: Krisenvorsorge
entscheidet
über Kommunikationserfolg:
Ein Jahr nach dem verheerenden Hochwasser im September 2024 haben
Kommunikationsexperten von ÖBB, Bundesheer und Feuerwehr beim PRVA
Lunch Bite ihre strategischen Erkenntnisse zur Krisenkommunikation
geteilt. Die zentrale Botschaft: Erfolgreiche Kommunikation in
Extremsituationen basiert auf intensiver Vorbereitung, koordinierter
Zusammenarbeit und dem strategischen Einsatz neuer Technologien.
Moderiert wurde der einstündige PRVA Lunch Bite von PRVA-
Präsidentin Ingrid Gogl persönlich.
Das Ausmaß der Krise war beispiellos: 15.000 Feuerwehrmitglieder
standen eine Woche lang bei 4.500 Einsätzen in Niederösterreich im
Einsatz, die ÖBB-Weststrecke war drei Monate gesperrt, und das
Bundesheer blieb bis 20. Dezember 2024 im Hochwassereinsatz. Erstmals
in 50 Jahren wurde das gesamte Bundesland Niederösterreich als
Katastrophengebiet definiert.
Zwtl.: Vorbereitung als Erfolgsfaktor
„Der prägende Moment war drei Tage vor dem Ereignis, als erstmals
alle Wetterdienste unisono die höchste Alarmstufe ausgaben“, erklärte
Richard Berger, Kommunikationsexperte des Bundesfeuerwehrverbands.
Diese Vorlaufzeit ermöglichte es allen Organisationen, ihre
Krisenpläne zu aktivieren und Kommunikationsstrukturen hochzufahren.
Michael Bauer, Sprecher des Bundesministeriums für
Landesverteidigung, betonte die Bedeutung der
organisationsübergreifenden Abstimmung: „Wir richteten bereits Mitte
der Woche vor dem Hochwasser tägliche Meldetermine um 9 Uhr und 14
Uhr für alle Militärkommanden ein.“ Die zentrale Botschaft des
Bundesheeres unterstrich dabei die Doppelrolle der Organisation: „Wer
verteidigen kann, der kann auch helfen. Wer aber nur helfen kann, der
kann nicht verteidigen.“
Zwtl.: Kanalstrategie: „Content is King, Channel is Queen“
Peter N. Thier, Kommunikationschef der ÖBB brachte die moderne
Kommunikationsstrategie auf den Punkt: „Content is King, Channel is
Queen – alle Kanäle müssen bedient werden.“ Die ÖBB priorisierte in
der externen Kommunikation die APA als Multiplikator in der Krise, da
diese Information in alle Online-Medien weiterleitet. Dazu kamen
soziale Medien und der ORF, um die Verteilung von Bildern
sicherzustellen. Parallel dazu wurden interne Wordings an
Führungskräfte verschickt.
Die Feuerwehr erreichte laut APA-Auswertung 2,2 Milliarden
potenzielle Lesekontakte, wobei regionale Medien eine besondere Rolle
spielten. „Mein Bezirk führte mit 508 Beiträgen in einer Woche“,
berichtete Berger und unterstrich: „Wir können nicht überall
gleichzeitig sein, aber wir versuchen es.“
Zwtl.: Interne Kommunikation als strategischer Erfolgsfaktor
„Das Wichtigste in Krisen ist aber die interne Kommunikation“,
betonte Thier. „Die Aussagen von Mitarbeiter:innen haben eine sehr
hohe Glaubwürdigkeit, die direkte Kommunikation schlägt alles.“ Das
Bundesheer nutzte SMS-Verteiler für alle Mitarbeiter mit Diensthandy
sowie Signal-Gruppen für die Echtzeitkoordination zwischen
Kommunikatoren. Die ÖBB führte digitale Townhall-Meetings durch,
wobei das erfolgreichste Event 3.000 Zuseher erreichte.
Zwtl.: KI revolutioniert Krisenkommunikation
Ein besonderer Fokus lag auf dem Einsatz künstlicher Intelligenz
in der Krisenkommunikation. Das Bundesheer nutzt bereits Meltwater
für Medienbeobachtung und testet KI für Presseaussendungen. „Wir
führen KI-Seminare für unsere Kommunikationsabteilungen durch“,
erklärte Bauer. Die ÖBB testet Microsoft Copilot, wobei Thier
berichtete: „ChatGPT liefert derzeit bessere Ergebnisse.“
Die Feuerwehr erhielt Unterstützung beim Virtual Operations
Support von der Freiwilligen Feuerwehr München, setzt jedoch aus
finanziellen Gründen noch keine eigenen KI-Tools ein.
Zwtl.: Organisationsübergreifende Koordination als Erfolgsmodell
Die drei Organisationen demonstrierten beispielhafte
Zusammenarbeit. „Wir nutzten Feuerwehr-Expertise bei
Pressekonferenzen in Tullnerfeld für höhere Glaubwürdigkeit“,
berichtete Thier. Bauer erklärte die zeitliche Abstimmung: „Die
Feuerwehr agiert als Ersthelfer, das Bundesheer hat eine längere
Anlaufzeit, aber unbegrenzte Einsatzdauer.“
Berger betonte die Bedeutung der Vernetzung: „Gemeinsames Wording
zwischen den Organisationen und regelmäßige Treffen in Krisenstäben
auf Bundeslandebene waren entscheidend. Mein Apell an alle
Unternehmen, vernetzt Euch untereinander, zum Beispiel über den PRVA.
Denn nur ein solches Netzwerk hilft in der Krise, dass wir gut
miteinander kommunizieren können.“
Zwtl.: Empfehlungen für die Zukunft
Die Experten waren sich einig über die Erfolgsformel für
Krisenkommunikation. Bergers Empfehlung: „Vorbereiten, ernst nehmen,
Pläne schmieden, üben, üben, üben und kommunizieren.“ Bauer lobte das
österreichische System der ineinandergreifenden Organisationen,
während Thier Krisen als „Königsdisziplin“ für Kommunikator:innen
bezeichnete. „Ich wünsche Euch und uns, dass es weiterhin Krisen
gibt. Denn die Krise ist für Kommunikatoren wie das Feuer für die
Feuerwehr. In der Krise ruft der Vorstand die Kommunikation um
Hilfe.“
Alle Experten betonten die Bedeutung realistischer
Übungsbedingungen außerhalb regulärer Arbeitszeiten. Die Feuerwehr
entwickelte sogar einen eigenen Kurs für Krisenkommunikation an der
Österreichischen Feuerwehr und Katastrophenschutz Akademie (ÖFKAD).