Wien (OTS) – Der Senat 3 des Presserats bewertet den Beitrag
„Ukrainisches Model
halbtot in Dubai – jetzt fallen schwere Vorwürfe von der Mutter“,
erschienen am 07.04.2025 auf „vol.at“, als schwerwiegende
Persönlichkeitsverletzung.
Im Vorspann des Artikels heißt es zunächst, dass die Ukrainerin
Maria Kovalchuk schwer verletzt auf Dubais Straßen gefunden worden
sei und ihre Mutter nun schwere Vorwürfe erhebe und von sexuellem
Missbrauch bei einer Orgie spreche.
Im Hauptteil des Artikels wird berichtet, dass ein dramatischer
Fall derzeit international für Entsetzen sorge, die 20-jährige
Ukrainerin Maria Kovalchuk, die als Model und auf „OnlyFans“ aktiv
sei, habe über eine Woche lang als vermisst gegolten, nachdem sie zu
einer Party mit zwei angeblichen Modeagenten in Dubai eingeladen
worden sei.
Am 19. März sei sie schwer verletzt mit gebrochener Wirbelsäule
und zahlreichen Frakturen an Armen und Beinen am Straßenrand
aufgefunden worden, nur durch mehrere Notoperationen habe ihr Leben
gerettet werden können. Die Behörden würden angeben, dass sie auf
einer Baustelle gestürzt sei, was ihr Umfeld stark bezweifle. Die
Mutter habe den Verdacht geäußert, dass sie auf eine Orgien-ähnliche
Veranstaltung gelockt und möglicherweise als Sex-Sklavin missbraucht
worden sei.
Ein im Krankenhaus arbeitender Bekannter hätte gesehen, dass sie
Verletzungen im Mundbereich aufgewiesen habe, dieser sei mit „Dubai-
Schokolade“ bedeckt gewesen, außerdem sollen Blut und Teile ihrer
Zähne in ihrer Handtasche gefunden worden sein.
Eine umfassende Aufklärung über die tatsächlichen Umstände fehle
bislang, Ermittlungen seien aufgenommen worden.
In den Artikel ist ein Bild eingebettet, auf dem man die Skyline
von Dubai sieht, die mit Zähnen überblendet ist, darüber hinaus ist
ein Smartphone mit einem unverpixelten Foto von der leicht
bekleideten Betroffenen auf dem Bildschirm zu sehen. Darüber hinaus
sind auch noch zwei Instagram-Postings von Kovalchuk eingebettet, auf
denen sie ebenfalls leicht bekleidet zu sehen ist.
Der Leser kritisiert die seiner Ansicht nach bedenkliche
Darstellung eines möglichen Gewaltverbrechens, wobei er besonders auf
die im Bild unter dem Titel eingebetteten Zähne verweist.
Der Senat hält fest, dass es sich im vorliegenden Fall um eine
eklatante Persönlichkeitsverletzung handelt. Die betroffene Frau ist
wahrscheinlich Opfer einer Straftat. Das Medium hat sich mit den in
das Bild hineinmontierten Zähnen über das Leid der Frau lustig
gemacht. Die Gewalteinwirkung gegenüber dem Opfer wurde jedoch nicht
nur ins Lächerliche gezogen, sondern auch verharmlost.
Das Zusammenspiel der überblendeten Zähne und des leicht bekleideten
Opfers sexualisiert in gewisser Weise die Gewaltanwendung.
Der Senat lehnt diese Herangehensweise entschieden ab – die
Senate des Presserats haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass
Journalistinnen und Journalisten gerade bei der Berichterstattung
über Gewalt gegen Frauen besonders sensibel vorgehen müssen (siehe
etwa die gemeinsame Stellungnahme der drei Senate 2022/S 002).
Nach Auffassung des Senats wurde sowohl in die Würde des Opfers
als auch in dessen Intimsphäre eingegriffen (der Gesundheitsbereich
eines jeden Menschen zählt zu dieser Sphäre). Die Verstöße gegen
Punkt 5 und 6 des Ehrenkodex liegen auf der Hand.
Darüber hinaus empfiehlt der Senat, mit dem Grafikdesigner der
Fotomontage ein klärendes Gespräch zu führen, um sicherzustellen,
dass in Zukunft eine derartig schwerwiegender Persönlichkeitseingriff
nicht mehr vorkommt (zumindest wurde die problematische Montage
mittlerweile abgeändert und die eingefügten Zähne wieder entfernt).
Der Senat stellte somit gegen die Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex (
Persönlichkeitsschutz, Intimsphäre) fest und forderte die
Medieninhaberin auf, die Entscheidung freiwillig im betroffenen
Medium zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund
einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges
Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der
Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der
Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „vol.at“ hat von der
Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin „vol.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des
Presserats anerkannt.