Wien (OTS) – Im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
fordert der
Verein Feministische Alleinerzieherinnen – FEM.A bei der heutigen
Pressekonferenz Schutz vor Gewalt im Familienrecht. Obwohl es
ausgedehnte Schutzrechte gibt, werden sie laut FEM.A oft nicht
angewandt. Viele Überlebende von Partnergewalt sind dem Täter im
Familiengericht schutzlos ausgeliefert. Die Frauen berichten von
schweren Menschenrechtsverletzungen und der Missachtung des
Kinderschutzes.
Eine Mutter, die sich an FEM.A gewandt hat, erzählt von ihren
traumatisierenden Erlebnissen am Familiengericht. Als sie der
Richterin von der schweren Gewalt durch den Vater ihres Sohnes
erzählt, erwidert diese: „Das interessiert mich nicht. So schlimm
kann es nicht gewesen sein.“ Das ist kein Einzelschicksal.
Gewaltopfer wird immer noch nicht von genau jenen geglaubt, die sie
schützen sollten: Richter*innen und Mitarbeiter*innen
österreichischer Institutionen. Die Vereinsobfrau Andrea Czak
berichtet: „Die Anzahl der Alleinerzieher*innen, die davon berichten,
dass ihnen Richter*innen und Mitarbeiter*innen von Institutionen
nicht geglaubt haben, wenn sie von Gewalt durch den Kindesvater
berichtet haben, ist erschreckend hoch. Die Erlebnisse der Mütter
werden häufig in Abrede gestellt oder verharmlost. Ob am
Familiengericht, bei den Terminen bei der Familiengerichtshilfe, der
Kinder- und Jugendhilfe oder sogar der Besuchsbegleitung.“ Sie weist
auf die Pflicht der Mitarbeiter*innen der Institutionen hin,
Opferrechte zu beachten und Richtlinien einzuhalten. „ Der Schutz der
Kinder und Frauen muss an erster Stelle stehen! “, fordert Obfrau
Andrea Czak.
Der Verein betreibt eine Meldestelle für institutionelle Gewalt
und macht sichtbar, wie strukturelle Machtverhältnisse, mangelnde
Schulung, Zeitdruck und falsche Neutralität dazu führen, dass
Alleinerzieher*innen und ihre Kinder an Familiengerichten, bei der
Kinder- und Jugendhilfe oder gerichtlichen Sachverständigen massiven
Rechtsverletzungen ausgesetzt sind. „Betroffene Frauen erzählen uns
von Angst, Erschöpfung und existenzieller Bedrohung. Viele berichten,
dass der gefährlichste Ort für sie nicht mehr die Wohnung des Täters,
sondern der Gerichtssaal geworden ist “, so Czak.
Zwtl.: Petition mit prominenten Mitstreiter*innen
Der Verein hat die Petition „Schützt Mütter und Kinder vor Gewalt
nach der Trennung“ ins Leben gerufen, um die rasche Umsetzung der
Empfehlungen des GREVIO-Komitees (ein unabhängiges Gremium von Expert
*innen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention) im Nationalen
Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen (NAP) voranzutreiben. Die aktuelle
Regierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm bereits dazu
verpflichtet, doch die Umsetzung kann für Betroffene lebenswichtig
sein. Wie dringlich die Anliegen des Vereins sind, zeigt die rege
Beteiligung von Prominenten und Expert*innen an der Petition.
Kammerschauspieler Cornelius Obonya macht deutlich: „Nach der
Trennung sollten Wunden heilen, nicht neue verursacht werden.“ Die
frisch gekürte Frauenpreisträgerin und Opferschutzanwältin Mag. Sonja
Aziz fordert etwa: „ Zum Schutz der Kinder sollten Gewaltvorwürfe
immer vom Familiengericht geprüft werden, auch ohne strafrechtliche
Verurteilung.“ Auch die Gewaltschutzexpertin Mag. Maria Rösslhumer,
Ex-Politikerin Maria Stern und Autorin Elfriede Hammerl stellen sich
an die Seite von FEM.A.
Zwtl.: Rechtsanwältinnen bezeugen die institutionelle Gewalt im
Familienrecht
In der Pressekonferenz von FEM.A berichten die Rechtsanwältinnen
Mag.a Katharina Braun, Mag.a Rebecca Oberdorfer und Mag.a Sina König
von der institutionellen Gewalt, die ihre Mandantinnen im
Gerichtsalltag erleben. Etwa von unwissenschaftlichen und
diskriminierenden Gutachten, Demütigungen und fehlendem Schutz in den
Gerichtssälen selbst. Rechtsanwältin Mag.a Katharina Braun sieht die
Gesetzgebung in der Pflicht: „Es braucht klare, durchdachte Gesetze,
damit Täter keine Schlupflöcher finden.“ Rechtsanwältin Mag.a Rebecca
Oberdorfer erinnert an die Schutzpflicht der Republik: „Viele
betroffene Mütter und Kinder erleben weiterhin psychische,
ökonomische oder institutionelle Gewalt, etwa durch unreflektierte
Kontaktentscheidungen, fehlende Gefährdungsbeurteilungen oder
mangelnde Sensibilität gegenüber Täterstrategien. Der Staat darf hier
nicht neutral bleiben. Nach der Verfassung besteht eine aktive
Schutzpflicht, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und zu
verhindern.“ Rechtsanwältin Mag.a Sina König sieht vor allem den
Zeitdruck an Gerichten als Problem und plädiert für umfassende
Weiterbildung: „ Es braucht verpflichtende Fortbildung zu
psychischer, emotionaler und struktureller Gewalt, sowie
interdisziplinäre Teams aus Recht, Psychologie, Medizin und
Sozialarbeit und verbindliche Qualitätsstandards für Gutachten
inklusive Review und Supervision.“
Zwtl.: Kindesabnahmen nach Partnergewalt: Kinder in Unterbringung
vernachlässigt
Dass Gewalt durch Kindesväter eine Kaskade an weiterer Gewalt
auslösen kann, zeigt Wissenschafterin Ass. Prof. Barbara Beclin. Sie
kritisiert, dass die Kinder- und Jugendhilfe den Müttern oft ihre
Kinder wegnehmen und fremdunterbringen, wenn sie die Gewalt durch den
Kindesvater melden. Gesetzlich vorgesehen wäre allerdings die
Wegweisung des Gewalttäters. Dies führe sogar dazu, dass Mütter aus
Furcht vor einer Kindesabnahme zögern, die erlittene Gewalt bei den
Behörden anzuzeigen. Sie beobachtet, dass Kinder durch die Trennung
von der Mutter und durch die Unterbringung in überfüllten und
personell unterbesetzten Einrichtungen Vernachlässigung und weiteren
Formen von Gewalt ausgesetzt sind. Ass. Prof. Barbara Beclin fordert
deshalb: „Gerade die Jugendämter müssten bei häuslicher Gewalt an der
Seite der Mütter stehen und diese im Interesse der Kinder dabei
unterstützen, sich und die Kinder zu schützen!“
Zwtl.: Ein Zeichen gegen institutionelle Gewalt setzen
Mit der Pressekonferenz setzt FEM.A ein deutliches Signal gegen
institutionelle Gewalt. FEM.A fordert die Bundesregierung auf, die
Empfehlungen des GREVIO Komitees vollständig im Nationalen
Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen umzusetzen, die „Handreiche zum
Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht“ des
Justizministeriums im Alltag der Gerichte verbindlich in Gesetze zu
gießen und die Finanzierung unabhängiger Opferschutzeinrichtungen für
Mütter und Kinder auszubauen. Die Petition kann online unterzeichnet
werden: https://verein-fema.at/petition-gewaltschutz/