Wien (PK) – Im Rahmen einer Abendveranstaltung im Parlament wurde
gestern der
Roman „Laurenzerberg“ von Christoph Zielinski präsentiert und
diskutiert. Der Autor erzählt darin die Geschichte einer jüdischen
Familie, die aus dem kommunistischen Polen geflohen ist, im
Österreich der 1960er-Jahre ein neues Leben beginnen will und damit
in eine für sie fremde, feindselige Welt gelangt. Die Dritte
Präsidentin des Nationalrates Doris Bures eröffnete die
Veranstaltung. Aus dem Buch las die Schriftstellerin Julya Rabinowich
Passagen vor. Anschließend erläuterte der durch seinen Beruf als
Onkologe bekannte Autor Christoph Zielinski den Hintergrund des
Buchs.
Bures: Österreich hat über Jahrzehnte verabsäumt, Schuld und
Verantwortung klar auszusprechen
Das Buch „Laurenzerberg“ spiegle auf gelungene Weise die
Nachkriegsjahre wieder, erklärte die Dritte Präsidentin des
Nationalrats Doris Bures. Diese Zeit sei eine Phase des sozialen und
wirtschaftlichen sowie demokratischen Wiederaufbaus gewesen. Aus
heutiger Sicht seien dabei aber viele Fehler gemacht worden, da Täter
und Mitläufer aus der NS-Zeit allzu leichtgläubig geduldet worden
seien. Die Anfänge der Zweiten Republik seien davon geprägt gewesen,
dass keine Restitution und konsequente strafrechtliche Aufarbeitung
erfolgt ist sowie über das Leid der Opfer lange geschwiegen worden
sei. Die Opferthese sei zur dominierenden Erzählung gemacht worden.
Diese „verkehrte Einschätzung“ habe es Österreich anfangs leichter
gemacht, politisch wieder als befreites und nicht als besiegtes Land
aufzuerstehen, sagte Bures. Dies habe aber Verdrängung erzeugt und
Österreich habe es über Jahrzehnte verabsäumt, Schuld und
Verantwortung klar auszusprechen. Erst 1991 habe der damalige
Bundeskanzler Franz Vranitzky dieses Schweigen offen angesprochen und
damit einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur eingeleitet. Der
Nationalfonds sei seit seiner Gründung ein sichtbares Zeichen dafür,
dass Österreich den Weg des offenen und ehrlichen Umgangs mit seiner
Zeitgeschichte weiter beschreiten werde.
Parlamentsdirektor Harald Dossi sprach in seiner Rede von einem
gelungenen und wichtigen Buch, das einen neuen und mitunter
überraschenden Blick auf Österreich und seine Gesellschaft in den
Nachkriegsjahren ermögliche.
Zielinski: Alle Menschen haben geschwiegen
Die Nachkriegszeit sei eine „unendlich komplexe“ Zeit gewesen,
erläuterte Autor Christoph Zielinski in einem Gespräch mit
Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck. Alle Menschen hätten zu
dieser Zeit geschwiegen. Dies habe für Menschen gegolten, die aus den
Konzentrationslagern gekommen sind ebenso wie für schuldige Menschen.
Auch unschuldigen Menschen, die schreckliches erlebt haben, und
Menschen, die Opfer gewesen sind und sich dafür geschämt haben,
hätten geschwiegen. Erst in den späten 1960er-Jahren habe man sehr
langsam begonnen, über die Vergangenheit zu sprechen. Auch langsam
sei dies dann auch öffentlich erfolgt. Über vieles sei nicht
gesprochen worden und teilweise werde auch heute noch über viele
Dinge nicht gesprochen.
Man schleppe vieles mit sich mit und irgendwann sei es Zeit,
darüber zu sprechen, begründete Zielinsky seine Motivation, einen
Roman zu schreiben. Es sei wichtig, dass man die Dinge sagt, die
einem persönlich wichtig sind und die einen bewegen. Das Buch
beinhalte nicht viel aus seiner persönlichen Biografie, es sei aber
darin viel Biografisches „kondensiert“. So seien viele Erinnerungen
und Erfahrungen, aber auch Recherchen eingeflossen. (Schluss) pst
HINWEIS: Fotos dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf
vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments .