Sozialhilfe-Reform: Halbierung von Kinderarmut nur mit höheren Leistungen

Wien (OTS) – „Wenn eine umfassende Reform der Sozialhilfe umgesetzt
werden soll,
dann muss das mit der Einbindung von Expert*innen passieren. Und die
Expert*innen der Praxis sind Sozialorganisationen, die sämtliche
Entwicklungen und Veränderungen im System der Sozialhilfe erlebt und
die Auswirkungen unmittelbar beobachtet haben“ , reagiert der
Volkshilfe-Direktor, Erich Fenninger, auf die bekannt gewordenen
Pläne der Regierung bei der Sozialhilfe.

Volkshilfe warnt vor populistischen Schnellschüssen

„Bestimmte Akteur*innen wollen Sozialkürzungen für Migrant*innen
um jeden Preis – der Preis ist die Zukunft unseres Landes. Denn sie
führen zu mehr Kinderarmut und diese verursacht enorme Kosten in der
Zukunft und verbaut Kindern viele Wege zu einem gelingenden Leben“ ,
so Fenninger. Er warnt vor populistischen Schnellschüssen: „Schon
einmal ist eine Sozialhilfe-Reform in Teilen juristisch aufgehoben
worden und führte zu Chaos in der Praxis. Das letzte soziale Netz ist
zu wichtig, um damit zu experimentieren und politisches Kleingeld zu
wechseln“, so Fenninger weiter. Auch könnte das selbstgesteckte Ziel
der Regierung – Kinderarmut bis 2030 zu halbieren – nicht ohne höhere
Geldleistungen und dramatische Entlastung bei den Kinderkosten durch
den Ausbau von kindbezogener Infrastruktur gelingen.

Leistungskürzungen ohne langfristigen Effekt auf
Erwerbsbeteiligung

„Man sitzt offenbar der falschen Überzeugung auf, dass
Leistungskürzungen erstens zur Steigerung der Erwerbsarbeit führen
und zweitens ohne volkswirtschaftlich negative Folgen bleiben. Das
dänische Beispiel zeigt langfristig Gegenteiliges: durch die
Kürzungen von Leistungen für Geflüchtete gab es langfristig keinen
positiven Effekt auf ihre Arbeitsmarktpartizipation. Speziell die
Erwerbsbeteiligung von Frauen ging zurück – zusätzlich sanken die
schulischen Leistungen und die Besuchsquote elementarer
Bildungseinrichtungen der betroffenen Kinder. Auch die
Jugendkriminalität stieg an“, verweist Fenninger auf eine Studie des
Department of Economics des University College London aus dem Jahr
2019.

Wenn man Menschen wirklich aus der Sozialhilfe herausholen will,
müssen die vorgelagerten Sicherungssysteme verbessert werden, wie das
WIFO in einer Studie empfiehlt. Das umfasst etwa stufenweise
Arbeitsmarktintegration, den Ausbau von arbeitsmarktpolitischen
Projekten, eine Jobgarantie und angemessene Erwerbseinkommen, wie das
WIFO argumentiert. „Expert*innen aus der Wissenschaft und der Praxis
wissen, wo die Herausforderungen im Bereich der Sozialpolitik liegen,
sie alle müssen in eine Reform eingebunden werden. Die Volkshilfe
steht jedenfalls bereit, ihr Wissen einzubringen“, so Fenninger
abschließend.

Service

Andersen, Lars Højsgaard; Dustmann, Christian; Landersø, Rasmus (
2019) : Lowering Welfare Benefits: Intended and Unintended
Consequences for Migrants and their Families, CReAM Discussion Paper
Series, No. 05/19, University College London, London.
https://www.econstor.eu/handle/10419/295596

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